Mario Asef, Bernhard Draz, Sven Kalden, Georg Klein, Joachim Seinfeld

4. – 12. März 2016

 !! Ort: NON Berlin, Chauseestraße 11/Eingang/Entrance Tieckstraße, 10115 Berlin !!

Transitional Societies

von Mario Asef, Bernhard Draz, Sven Kalden, Georg Klein und Joachim Seinfeld

Die Ausstellung Transitional Societies greift den von NON Berlin 2015 initiierten Diskurs zur Transitional Justice auf, der zuletzt mit der Konferenz Nordkorea im Wandel von HEKO e.V. und der Präsentation WE remember ME der Künstlerin Chan Sook Choi im Projektraum Meinblau fortgeführt wurde.

Während Chan Sook Choi in einfühlsamen Videoporträts die Schicksale der zwangsprostituierten Koreanerinnen, den sogenannten Trostfrauen, während der japanischen Besatzungszeit bildhaft wie narrativ in den konkreten Kontext der Transitional Justice verortet hatte, nähern sich die Künstler der aktuellen Ausstellung mit frei assoziierten ästhetischen, aber dennoch eindeutig politisch motivierten Positionen der Thematik an und überführen sie einen gesellschaftlichen Zusammenhang, den Transitional Societies.

Im Foyer des Projektraums NON zeigt Georg Klein seine interaktive Installation Na Na. Zwangsläufig muss der Ausstellungsbesucher den Zwischenraum zweier sich gegenüber stehender Satellitenschalen durchqueren. Diese an Radarantennen des kalten Krieges erinnernden Parabolspiegel erzeugen akustisch das Wort ICH und sein koreanisches Äquivalent NA und abstrahieren es bis zur Unkenntlichkeit. Das Individuum durchläuft auditiv einen Prozess, der es schließlich zum Dividuum formt.

Sven Kalden überträgt in seiner Arbeit NEAR EAST SIDE GALLERY Graffitis und Malereien der Berliner Mauer auf Betonmodelle der Grenzanlagen, die seit 2002 von Israel in der Westbank errichtet werden.
Die Symbole und Bilder der überwundenen Teilung Deutschlands werden heute täglich von tausenden Touristen besucht, während nicht nur im Nahen Osten die Segregation und Separation durch Sperranlagen aktueller nicht sein könnte. Die Mauer ist nicht weg, sie hat nur ein anderer. Die naiven Bilder von Hoffnung auf Frieden und Freiheit in einer ungeteilten Welt bleiben jedoch hier.

2014 wurden 43 Studenten in Ayotzinapa/Mexiko entführt und später ermordet. Die mexikanische Gesellschaft wollte bis zur Verleugnung aller Indizien und Fakten nicht an ihren Tod glauben. Die öffentliche Auseinandersetzung erinnerte unweigerlich an russisches Roulette.
Der argentinische Künstler Mario Asef schrieb den Slogan „43 oder nichts“ in großen Lettern auf 43 Seiten der Infobroschüre der mexikanischen Nationallotterie und plakatierte diese heimlich nachts entlang der Colonia Santa Maria La Ribera. Bei NON zeigt er unter dem Titel Acción Día de Muertos eine großformatige Fotoarbeit seiner Aktion, die er mit seiner Megaphon-Installation Compra Venta/Cavar-Fosa kombinieren wird. Hier gräbt er in der Geschichte Mexikos und beschwört unweigerlich Zerstörung und Gewalt.

In seiner 2005 begonnenen Fotoperformance-Serie Wenn Deutsche lustig sind – Dokufiktion bearbeitet Joachim Seinfeld, mit reflektiertem historischen Bewusstsein und bissigem Humor zugleich, die Geschichte der Deutschen im 20. Jahrhundert. Für Transitional Societies präsentiert er einen Zyklus zur Aufarbeitung des bürgerlichen, christlichen und rechtsradikal motivierten Antisemitismus, den er mit einem aktuellen Beitrag zu dem oft verdrängten, aber dennoch evidenten Antisemitismus in Teilen der deutschen Linken erweitert.

Bernhard Draz präsentiert schließlich unter dem Arbeitstitel Transitional Justice – Terminology die Begriffe Freiheit – Willkür – Recht – Kontrolle als weiße Neonschriften auf grauem Grund mit ihrem jeweiligen koreanischen Pendant. Ziel ist es, das Spannungsverhältnis der zum Teil positiv, zum Teil negativ, aber auch ambivalent besetzten Begriffe auszuloten und sich den kulturellen Unterschieden in Bedeutung, Empfindung und Wahrnehmung anzunähern.

Transitional Societies ist ein Kooperationsprojekt von NON Berlin – Asia contemporary art Platform und MEINBLAU projektraum, inititiiert von Anne Hölck, Chan Sook Choi und Ido Shin.
 

image credits: Georg Klein, Na Na, 2009 und Joachim Seinfeld, Wenn Deutsche lustig sind. Docufiction 2005-2016